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www.rhetorik.ch aktuell: (15. April, 2005)

Klassenkampf-Rhetorik

Frühere Story über Müntefering
Der SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering poltert mit Klassenkampf-Rhetorik gegen die Gefahren eines globalen Kapitalismus. Seine kämpferischen Worte sollen den verunsicherten Genossen neuen Halt geben, mit Sätzen, die auch Studentenführer Ende der sechziger Jahre gebraucht hatten:


"Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des Kapitals und der totalen Ökonomisierung eines kurzatmigen Profit-Handelns. Die international forcierten Profit-Maximierungs-Strategien gefährden auf Dauer unsere Demokratie ... Die Staatsskepsis ist ein Irrweg. Die Staatsverachtung eine Gefahr. Mit dem modernen Staat ist die Idee der Demokratie überhaupt erst möglich geworden. Er stellt die Institutionen bereit, mit denen Gesellschaften ihr Zusammenleben organisieren können."


Was Müntefering am 13. April in Berlin den versammelten Genossen zugerufen und über Mikrofone und Kameras, der Republik entgegenschleuderte, ist Teil einer Debatte, die im November auf dem Bundesparteitag in ein neues Grundsatzprogramm münden soll.

Wir zitieren den "Spiegel":

Münteferings Rede ruft Erinnerungen wach an andere programmatische Versuche. Müntefering, ein Kind der Aufbaugeneration der westdeutschen Republik, hat in den letzten Jahren viel dazugelernt: Dass sich vieles ändern muss, um den Sozialstaat im Kern zu erhalten. Dieses Credo durchzieht seine Ansprache. Und doch rückt die Rhetorik bei ihm in den Vordergrund. Der SPD-Chef steht vor der unlösbaren Aufgabe: Wie bittere Pillen verkaufen und zugleich Glücksgefühle auslösen? Im Vergleich mit den Realitäten in osteuropäischen EU-Staaten sind die Massnahmen der Regierung vergleichsweise kleine Korrekturen. Aber sie erzeugen einen Frust, der sich schleichend auswirkt. Sie führen nicht nur zu einem Kaufverzicht der Bürger, sondern auch zu einem Wahlboykott vieler potentieller SPD-Anhänger. Dabei übertönte die Linksrhetorik, die der Sauerländer in Berlin nun anschlug, die anderen Botschaften in seinem Manuskript. Und die so weit nicht weg sind von dem, was Rot-Grün an realer Politik praktiziert - und was letzten Endes zu ihren Schwierigkeiten geführt hat. Manches von dem, was da steht, könnte sogar aus dem so viel geschmähten Hombach-Mandelson-Papier stammen: "Staat muss sich da entbehrlich machen, wo dies verantwortlich möglich ist. Und er muss gestärkt werden, wo es notwendig ist", heisst es bei Müntefering. Der "Müntefering-Sound" der starken Worte soll die alten Gegensätze wieder aufrufen, die tief im Seelenleben der Partei verankert sind: Hier wir, dort das Kapital. Und die Musik, die da gespielt wird, suggeriert, die SPD könne das grosse Ganze noch steuern. Doch die Gegenwart geht brachial und im Eiltempo über dieses Ansinnen hinweg. Und endet in Reformen wie den Hartz-Gesetzen. Das ist die Wirklichkeit. Da hilft keine Münte-Rhetorik - weder dem Parteichef, noch der Glaubwürdigkeit der SPD.


Kommentar: Für uns ähnelt die Münte-Rhetorik der überholten Klassenkampf-Rhetorik. Im Grunde genommen versucht er nur von der heutigen miesen parteiinternen Stimmung abzulenken, um bei Genossen und Bevölkerung ein besseres Klima zu schaffen. Wir zählen Münteferings Rede eher zu einer Wohlfühl-Rhetorik die Vertrauen suggerieren soll.






Nachtrag vom 3. Mai, 2005: Heuschreckenvergleich

Der stellvertretende NRW-Ministerpräsident Michael Vesper von der Grünen Partei forderte die Unternehmer in Deutschland auf, mehr Verantwortung für das Land zu übernehmen.

"Starke Schultern sind nicht nur dazu da, damit man mit ihnen zuckt. Sie müssen auch etwas tragen".


sagte Vesper der "Rheinischen Post". Vesper kritisierte aber die Tonart Münteferings, der bei seiner Managerkritik von einer Heuschrecken-Plage gesprochen hatte.

"'Heuschrecken' - das ist spätestens seit den 'Schmeissfliegen' von Franz-Josef-Strauss nicht meine Sprache."


Mit dem Heuschreckenvergleich hatte Müntefering einen Wirbel in den Medien ausgelöst. Dies bestätigt einmal mehr:

Wer provoziert erntet Medienpräsenz.


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