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www.rhetorik.ch aktuell: (07. Apr, 2008)

Peking und die Medien

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Dass die Befreiungsbewegung "Tibet free" die Olympiade nutzt, um sich in den Medien Aufmerksamkeit zu verschaffen, ist offensichtlich - aber auch verständlich, zumal China die eigene Information manipuliert, zensuriert und die Meinungsfreiheit mit Füssen tritt. Alle westlichen Journalisten wurden ausgewiesen. Internet, Handy selbst Google haben die Machthaber im Griff. Desinformation ist Alltag. Pressefreiheit ist ein Fremdwort. Selbst an der Olympiade wollten sie die Uebertragungen zeitverschoben übermitteln, damit sie allfällige Protestsignale sofort einschwärzen oder schneiden können. Nach dem Motto: Was nicht zu sehen ist, existiert nicht.


Wenn jemand weiss, was Manipulation der Medien heisst, so ist es China. Deshalb ist es grotesk, wenn nun Peking die westlichen Medien anprangert. Dass die Aktionen während des Fackellaufes in der ganzen Welt publiziert werden, muss die Machthaber schmerzen. Sonst würden sie nicht behaupten, die westlichen Medien würden ihre Bilder manipulieren mit besonderen Objektiven, die aus wenig Leuten eine grosse Masse suggerieren usw.


Der Vorwurf an die ausländischen Medien, sie verfälschten die derzeitigen Berichterstattungen über die Proteste, ist der verzweifelte Versuch, mit einer Propagadakampagne von den eigenen Manipulationen abzulenken. Das Ausmass und die Schärfe der chinesischen Kritik ist ein Zeichen der Schwäche und ist als Information für das eigenen Volk gedacht, um die Nachrichten aus dem Ausland als Angriff gegen das eigenen Land zu sehen. Damit kann der Nationalismus geschürt werden. China schreibt, dass die Bevölkerung von den verzerrten Berichten einiger westlicher Medien in die Irre geführt wird. In China steht nichts von den Protesten gegen die Menschenrechtsverletzungen oder von Chinas umstrittener Rolle im Flüchtlingsdrama im sudanedischen Darfur. Die Verschwörungstheorien, die in den chinesischen Medien derzeit verbreitet werden, kommen in der Bevölkerung erstaunlich gut an. Das chinesische Fernsehen zeigt täglich Bilder von verletzten Chinesen, die den randalierenden Tibetern zum Opfer gefallen sind.


20 min-online: "Rein rechtlich gesehen kann das IOC das zum Spiessrutenlauf verkommene Spektakel gar nicht abbrechen. Verantwortlich ist als Veranstalter das Pekinger Organisationskomitee, welches mit den 19 Städten ausserhalb Chinas Verträge abgeschlossen hat. Während Rogge heute in Peking eine Stunde mit Chinas Premierminister Wen Jiabao den derzeitigen Stand der Dinge diskutierte, knickten die 205 Nationalen Olympischen Komitees (ANOC) offenbar unter dem Druck der Chinesen ein. Die am Montag von ihnen verabschiedete Absichtserklärung zur Unterstützung der Sommerspiele wurde heute überraschend ratifiziert und wird morgen in veränderter Form der IOC-Exekutive vorgelegt - offenbar auf Drängen des Pekinger Organisationskomitees."


Die überraschend überarbeitete Vorlage, in der das Wort Tibet fehlte, wirkt ferngesteuert. "Wir vertrauen darauf, dass die Volksrepublik China eine faire und vernünftige Lösung der internen Konflikte finden wird, und zwar zum Wohl der Spiele und der Athleten", heisst es in dem neuen Papier. Zwei Tage vorher hatte der Passus noch gelautet: "Wir vertrauen darauf, dass die Volksrepublik China eine faire und vernünftige Lösung des internen Konflikts finden wird, der die Tibet-Region betrifft." Den Vorwurf, diese Einflussnahme sei von Seiten des Pekinger Organisationskomitees erfolgt, was einer Zensur gleichkäme, wies ANOC-Präsident Mario Vasquez-Rana als falsch zurück.


Die Welt hoffte bei der Vergabe der Spiele, China halte dank der Olympiade die Menschenrechte ein Peking erhielt 2001 den Zuschlag, nicht zuletzt in der Hoffnung, die mit den Spielen verbundene Aufmerksamkeit werde die chinesische Führung zur Einhaltung der Menschenrechte bewegen.

In der Tat scheint das Regime in Peking die Spiele sehr ernst zu nehmen. So ernst, dass es in deren Vorfeld tüchtig aufräumen will. Ganz abgesehen von der brachialen Art, in der die Demonstranten in Tibet zum Schweigen gebracht wurden, hat sich die Menschenrechtslage im Reich der Mitte deutlich verschärft. Die chinesische Regierung habe die Repression gegenüber Aktivisten verstärkt, erklärte Irene Khan, Generalsekretärin von Amnesty International (AI).

"Bis jetzt haben die Olympischen Spiele nichts zur Förderung von Reformen beigetragen."


Amnesty international listet Sündenregister:
  1. Willkürliche Verhaftungen, unfaire Prozesse Wegen "Aufhetzen zum Widerstand gegen die Staatsgewalt" wurde Ende März der Menschenrechtsaktivist Yang Chunlin zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der Prozess dauerte rund 20 Minuten. Seine Parole "Wir wollen keine Olympischen Spiele, wir wollen Menschenrechte" war den Machthabern in Peking in den falschen Hals geraten. Chunlin ist nicht der einzige. Hu Jia, ein in Peking lebender Aktivist, wurde am 18. März wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" verurteilt. Seine Frau Zeng Jinyan und ihr Baby stehen zu Hause unter strenger Polizeibewachung.
  2. Folter Nach Angaben von Amnesty International gehören in China "Fusstritte, Schläge, Elektroschocks, das Aufhängen an den Armen, das Anketten in schmerzhaften Positionen, Verbrennungen mit Zigaretten sowie Schlaf- und Nahrungsentzug zu den gängigen Foltermethoden". Gerichte gehen nicht auf die Versuche von Anwälten ein, Foltervorwürfe zur Entlastung der Angeklagten vorzubringen.
  3. Todesstrafe und Organhandel China richtet jedes Jahr mehr Menschen hin als alle anderen Staaten der Welt zusammen. Schätzungen gehen bis zu 10 000 Todesurteilen pro Jahr. Chinesische Gerichte verhängen die Todesstrafe auch für Delikte wie Bestechung, Geld- und Scheckfälschung, und Steuerhinterziehung. Obwohl Organhandel in China inoffiziell verboten ist, werden die Organe von hingerichteten Menschen für Transplantationen verwendet und landen auch auf dem Schwarzmarkt.
  4. Verletzung der Religionsfreiheit Mitglieder von religiösen oder spirituellen Gruppen müssen in China mit drakonischen Strafen bis hin zur Exekution rechnen. Insbesondere die Falun-Gong-Sekte wird von Peking konsequent verfolgt. Aber auch andere Religionsgemeinschaften werden drangsaliert: So wurden Tausende von Mitgliedern offiziell nicht zugelassener protestantischer "Hauskirchen" und vatikantreuer katholischer Gemeinden festgenommen.
  5. Diskriminierung von Minderheiten Die blutige Niederschlagung der Proteste in Lhasa und anderen Städten in Tibet warf im März ein grelles Licht auf den chinesischen Umgang mit ethnischen Minderheiten. Neben den Tibetern klagen aber auch die Uiguren in der riesigen Nordwest-Provinz Xinjiang über eine fortschreitende Sinisierung durch die massenhafte Einwanderung von Han-Chinesen. Die massiven Repressionsmassnahmen gegen die Uiguren sind laut Amnesty International fortgesetzt worden. Insbesondere das Recht auf freie Religionsausübung und der Zugang zu Bildung seien beschnitten worden.
  6. Diskriminierung von Wanderarbeitern Millionen von Wanderarbeitern sind in China ständig unterwegs auf der Suche nach Arbeit. Diesen aus ländlichen Regionen stammenden Menschen verwehren die Behörden gemäss Amnesty International den Zugang zu "verschiedenen Formen der solidarischen Krankenversicherung, wie sie der städtischen Bevölkerung" offenstehen. Zudem werden ihnen oft die Löhne nicht ausbezahlt.
  7. Waffenexporte in Krisenregionen Ungerührt von allen Appellen fährt Peking mit der Unterstützung des Militärregimes in Burma fort, obwohl die burmesischen Generäle unlängst friedliche Massenproteste blutig niederschlagen liessen. Auch Waffen werden weiterhin nach Burma geliefert; ebenso in den Sudan, wo die Menschenrechtslage ebenfalls äusserst prekär ist. Nur durch die chinesische Rückendeckung war es der sudanesischen Regierung bisher möglich, die Massaker in der Westprovinz Darfur zu unterstützen.
  8. Zensur China hat während des Aufstands in Tibet bewiesen, dass es in der Lage ist, den Informationsfluss von der unruhigen Provinz ins Ausland trotz der modernen Kommunikationsmethoden weitgehend zu kontrollieren und zu unterbinden. Presse und elektronische Medien werden am Gängelband geführt und auch die rund 130 Millionen Internet-Nutzer surfen in einer zensierten Version des Web. Chinesische User werden ständig ausgespäht und eingeschüchtert. Peking schränkt den Zugang ins Internet überdies mit technischen Massnahmen (Filter) ein, stellt zu diesem Zweck aber auch Forderungen an ausländische Internet-Firmen. Google, Yahoo und Microsoft zensieren ihre für China bestimmten Angebote, um am Markt partizipieren zu dürfen. Quellen: Amnesty International, amnesty.ch


Nachtrag vom 9. April: Auch Demonstrationen in San Francisco

Tumulte und Durcheinander beim olympischen Fackellauf durch San Francisco: Aus Angst vor Protesten wurde die Route verkürzt und verändert, die Flamme fuhr zeitweilig per Bus. Präsidentschaftsbewerber Obama ermuntert US-Präsident Bush, die Olympia-Eröffnung in Peking zu boykottieren.


Nachtrag vom 10. April 2008: PR-Debakel droht Der Wiesbadener Kurier schreibt:

"Prügelnde Polizisten, blutüberströmte Tibet- Demonstranten, oder verschreckte Vorzeigesportler - auf solche Bilder hätte die heile Olympia-Welt gerne verzichtet. Seitdem aber der globale Fackellauf nach Peking zur Protestbühne gegen Chinas Tibet-Politik geworden ist, droht den Sponsoren und Ausstattern des Sportspektakels nach Meinung von Fachleuten ein PR- Debakel. Sie warnen bereits von einem Werbedesaster, sollte der Widerstand andauern. Dabei haben die Firmen Milliarden investiert, um mit den fünf Olympia-Ringen werben zu dürfen. "Sie erwarten dabei, dass ihre Produkte vor allem mit positiven Bildern verbunden werden", sagt der Kommunikationsexperte Rupert Ahrens. Allein die zwölf Top-Geldgeber wie Coca Cola, McDonald's oder Visa haben fast 870 Millionen US-Dollar an das Internationale Olympische Komitee (IOC) bezahlt. Eine weitere Milliarde haben die 35 Sponsoren des Pekinger Organisationskomitees BOCOG hingeblättert, darunter Volkswagen und Adidas. Das Rechte-Paket an den Sommerspielen und den Winterspielen 2006 in Turin hatte das IOC für 4.5 Milliarden US-Dollar verkauft. Peking allein bringt dem Komitee 1.74 Milliarden Dollar ein. Angesichts der Proteste und Boykott-Forderungen raten Marketing- Experten den Werbern zur Vorsicht. Sie sollten die Demonstrationen ernst nehmen, wie der Präsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft, Ulrich Nies, sagt. "Business as usual" reiche nicht mehr aus. Mit aller Offenheit müssten die Firmen jetzt begründen, welche unternehmerischen Ziele sie mit der Werbung rund um die Olympischen Spiele verbinden. Allerdings stecken die Sponsoren in einer Zwickmühle. In China, mit einem Markt von 1,3 Milliarden potenziellen Konsumenten, wollen sie für sich werben, im Westen droht ihnen dagegen ein Imageschaden - "vor allem wenn aus Peking Olympia-Bilder mit viel Polizei und Sicherheitsvorkehrungen kommen", wie Ahrens sagt. Dies wäre für die Sponsoren "ein Debakel". Die Firmen könnten auch selbst zum Ziel von Protesten werden. In den USA hat bereits Hollywood-Star Mia Farrow zu Boykott der Produkte von Olympia-Sponsoren aufgerufen. Der Regisseur Steven Spielberg sagte aus moralischem Gründen seine Beteiligung an der Eröffnungsfeier ab. Die Olympia-Kritiker haben gewichtige Gegner. Für die Vermarktung der Spiele hat Peking die amerikanische PR-Firma Hill & Knowlton unter Vertrag, die bereits für mehrere Olympische Spiele die Werbetrommel rührten. Ein überstürzter Rückzug aus dem Olympia-Sponsoring wäre allerdings nicht überzeugend, wie PR-Mann Nies sagte. Die Proteste seien absehbar gewesen. "Es war klar, dass die Tibeter die Olympischen Spiele nutzen würden, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen". Auch Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), rät den Firmen, die Entwicklung abzuwarten. "Man kann davon ausgehen, dass die Menschen, die in Europa oder Asien von der Werbung angesprochen werden, zwischen Chinas Politik und dem Sportereignis unterscheiden können". Der Werbemann schliesst aber nicht aus, dass sich bei einer Zuspitzung der Lage einige Firmen von Olympia zurückziehen. "Der Massstab sollte die Haltung der Sportler sein". Einige Sponsoren haben die Zeichen erkannt, wollen sich aber aus der politischen Schusslinie heraushalten. "Adidas ist sich der Bedeutung des Schutzes der Menschenrechte bewusst", erklärte der Sportartikelhersteller. Sponsoren könnten aber politische Probleme nicht lösen. "Wir sehen klare Grenzen der Einflussnahme", hiess es aus dem Unternehmen. Für Ahrens, geschäftsführender Gesellschafter der A&B One Kommunikationsagentur, liegt der Ball jetzt in Peking. IOC und chinesische Führung haben nach seiner Ansicht die Proteste und ihre globale Wirkung unterschätzt. "In der Weltöffentlichkeit gelten eben andere Regeln als in der eingeschränkten Weltsicht Pekings".



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