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Schaffhauser Nachrichten vom 19. Januar 2008. PDF |
Ospels AusweichtechnikVor Jahren konnte man beobachten, wie Sepp Blatter sich aus heiklen Situation dank geschickter Rhetorik retten konnte. Er war ein Meister der "Fussballrhetorik": Haken schlagen, mit Finten angreifen aber auch flexibel ausweichen und ablenken. Blatter überlebte alle Tiefschläge. Nach den Milliardenverlusten bei der UBS lohnt es sich das rhetorische Verhalten von Marcel Ospel zu analysieren. Er scheint damit ebenfalls zu überleben. Nachfolgende Antworten haben wir nach dem Finazndebakel im Interview gefunden. (Quelle: Blick-online): Auf die Frage:Journalist:
Herr Ospel, wie soll man einer Bank noch vertrauen, die mit ihren Zahlen
dermassen daneben liegt?
antwortete Ospel
Ospel:
"Ich verstehe die Verwirrung. Niemand hat damit gerechnet, dass UBS
rund 16 Milliarden abschreiben muss und möglicherweise in diesem
Jahr keinen Gewinn erzielen wird. Aber es gibt keinerlei Grund, besorgt
zu sein. Man kann weiterhin volles Vertrauen in unsere Bank haben. Wir
bleiben eine der sichersten Banken der Welt."
Analyse der Antworten:
In der ersten Antwort federt Ospel Druck ab, indem er das Harvard Prinzip
nutzt: Ich verstehe Sie, aber...
Dann beschönigt er die UBS Situation und besänftigt: "Wir
bleiben eine der sichersten Banken!" Hernach folgt ein Vorwurf:
Journalist: Anfang Oktober sagten Sie: "Wir haben unsere Engagements konservativ
bewertet und fühlen uns mit ihnen komfortabel." Jetzt sagen Sie:
"Noch schlimmere Auswirkungen sind für mich nur sehr schwer
vorstellbar." Warum soll man Ihnen diesmal glauben?
Ospel:
"Das Problem war, dass im amerikanischen Immobilienmarkt im Oktober
und vor allem im November erneut eine negative Dynamik eingesetzt
hat. Mit unserer jüngsten Wertberichtigung nehmen wir ein extremes
Stress-Szenario voraus. Dabei ist für mich aus heutiger Sicht aber
schwer vorstellbar, dass dieses Szenario so eintreffen wird."
Journalist:
Es könnte am Ende weniger schlimm sein, als man jetzt angenommen hat?
Ospel:
"Das halte ich durchaus für möglich."
Journalist:
Von aussen hat man oft den Eindruck, dass eine Firma nicht alles
kommuniziert, was sie weiss. Aber derzeit macht die UBS den Eindruck,
dass sie's selber nicht weiss.
Ospel:
"Ich kann das verstehen. Und ich kann gleichzeitig versichern, dass wir
genau wissen, welche Bestände wir in unseren Büchern haben."
Analyse der Antworten:
Die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit ist berechtigt. Der
Journalist zweifelt: Schon letztes Mal wurde die Öffentlichkeit
beschwichtigt. Die Aussage, dass schlimmere Auswirkungen auch nach der
zweiten Krise nicht vorstellbar sind, wie soll man dies noch ein mal
glauben? Ospel spricht vom amerikanischen Immobilienmarkt im Oktober von
einer negativen Dynamik, den jüngsten Wertberichtigung und davon,
dass man ein extremes Stress-Szenario vorweg genommen habe. Was dies
konkret heisst, kann man sich schlecht vorstellen, doch hilft diese
Vernebelungstaktik, sich aus dem Schussfeld heraus zu manövrieren.
Ospels Antwort, es sei möglich, dass die Situation weniger
schlimm werde, als es aussehe, ist eine Antwort, die alles offen
lässt. Angenommen, es kommt erneut zu einer Panne, könne er
sich darauf berufen, dass er nur angenommen habe, dass....
In den meisten seiner Antworten lässt sich Ospel nicht festlegen. Er
sagt beispielsweise nur, er wisse, was in den Büchern stehe. Doch,
was drin steht, sagt er nicht.
Journalist:
Banken sind dazu da, das Funktionieren einer Volkswirtschaft zu
ermöglichen. Im Moment machen sie das Gegenteil: Sie gefährden
die Konjunktur.
Ospel:
"Das ist die alte Frage nach dem Huhn und dem Ei."
Journalist:
Zumindest war am Konjunktur-Himmel kaum eine Wolke zu erkennen - bis
die Bankenkrise ausbrach.
Ospel:
"Das ist keine Bankenkrise, sondern eine Kreditkrise."
Journalist:
Also eine Kreditkrise. Und die greift inzwischen auf andere Bereiche
über.
Ospel:
"Nein, es war umgekehrt. Die Konjunktur in den USA hat sich
abgeschwächt, die Immobilienpreise begannen zu sinken, und das
brachte die Hypothekarschuldner in Bedrängnis."
Journalist:
Aber in den US-Häusermarkt ist zu viel Geld gepumpt worden. Nicht
direkt durch die UBS, aber durch die Banken. Deshalb ist es eben doch
eine durch Banken verursachte Krise. Aber das war doch eine Blase -
und die wäre nur noch grösser geworden.
Ospel:
"Wir müssen vorsichtig sein mit diesen Begriffen. Es gibt
eine Immobilienblase in Teilen des Marktes, aber längst nicht
überall. Viele US-Immobilien sind von der Krise nicht betroffen."
Analyse der Antworten:
Die Schuld der Banken (sie haben zu leichtfertig Hypotheken vergeben)
tut Ospel mit dem trivialen Spruch ab: "Das ist die alte Frage nach
dem Huhn und dem Ei". Damit sieht es so aus, als sei nicht die Bank,
sondern die Wirtschaftlage am Flop schuld.
Der Journalist merkt, dass sich Ospel aus der Verantwortung stehlen will
und greift nach:
"Aber in den US-Häusermarkt ist zu viel Geld gepumpt worden. Nicht
direkt durch die UBS, aber durch die Banken. Deshalb ist es eben doch
eine durch Banken verursachte Krise!"
Ospel signalisiert zuerst Verständnis, beharrt dann auf dem Huhn-
Ei Vergleich, indem er kontert:
Ospel:
"Hätte sich die US-Wirtschaft nicht abgekühlt, wäre
die Krise gar nicht ausgebrochen und die Häuserpreise wären
weiter gestiegen."
Der Journalist bleibt hart und wiederholt, dass es die Banken waren,
die den Markt aufgeblasen hatten. Falls es nämlich der Wirtschaft
weiter gut gegangen wäre, hätten die Banken vermutlich die
Blase noch mehr aufgeblasen! Jetzt steht Ospel argumentatorisch an der Wand. Er rettet sich, indem er das Wort "Blase" in Frage stellt und vom Kernproblem ablenkt: Ospel:
"Wir müssen vorsichtig sein mit solchen Begriffen".
Da Ospel merkt, dass er in einen Argumentationsnotstand kommen
könnte, windet er sich mit einem Diffenzierungstrick und sagt:
Nicht überall ist es so gewesen, z.B. ...
Hat das Debakel personelle Konsequenzen?
Journalist:
Nach dem neuen Abschreiber muss niemand den Hut nehmen. Warum?
Ospel:
"Wir haben bereits personelle Konsequenzen gezogen. Was jetzt bekannt
wurde, hat den gleichen Ursprung."
Journalist:
Diesmal fordert niemand Ihren Rücktritt - gutes oder schlechtes
Zeichen?
Ospel:
"Wahrscheinlich ein gutes. Ich gehe nicht feige zur Hintertüre
hinaus, wenn ich einen Beitrag zur Lösung leisten kann."
Journalist:
Aber sobald das Problem als gelöst bezeichnet werden kann - ist
dann auch Ihre Zeit abgelaufen?
Ospel:
"Das würde ich daraus nicht ableiten."
Analyse der Antworten:
Auf die Frage nach allfälligen Konsequenzen - seinen Rücktritt
- wiederholt Ospel jene Standardantwort, die er bereits in verschiedenen
Medien heruntergebetet hat: "Ich verlasse die UBS nicht feige über
die Hintertüre." Ospel könnte sich zwar auch offen durch die
Vordertüre verabschieden, weil er schon mehrmals versagt hat und
unter seiner Führung bei der UBS Milliarden SFr vernichtet wurden.
Wann erfährt die Öffentlichkeit
die Wahrheit über den Abgang Wufflis?
Journalist:
Wann erfährt die Öffentlichkeit die Wahrheit über den
Abgang von Peter Wuffli im letzten Juli?
Ospel:
"Alles was wir dazu sagen konnten, haben wir gesagt."
Journalist:
Die Sache wird zum Mythos wie die Ermordung Kennedys. Denn alle wissen:
Irgendwo in einem UBS-Schrank liegt ein Papier, auf dem die Wahrheit zu
Wuffli steht.
Ospel:
"Alles was wir dazu sagen konnten, haben wir gesagt."
Journalist:
Wuffli ist einer der Hauptverantwortlichen, weil er in der relevanten
Zeit Konzernchef war. Warum schützen Sie ihn?
Ospel:
"Wie gesagt: Alles was wir ..."
Analyse der Antworten:
Auf die heikle und brisante Frage nach dem fragwürdigen Abgang
Wufflis erhält der Journalist immer wieder die Standardantwort:
"Alles was wir dazu sagen konnten, haben wir gesagt." Dieses
ständige Wiederholen macht bewusst, dass hier etwas nicht ans Licht
kommen darf oder etwas faul ist.
Das Ritual mit der sturen Wiederholung: "Alles was wir dazu sagen konnten,
haben wir gesagt." bringt das Gespräch nicht weiter. Der Journalist
muss klein beigeben:
Journalist: (Nach der gebetsmühlenartigen Antwortserie)
Lassen wir das. Ihr Lohn wird 2007 nur aus der Basisvergütung von
2 Mio. bestehen. Definitiv kein Bonus?
Ospel:
"Noch hat der Kompensationsausschuss nicht entschieden. Aber ich erwarte
keinen Bonus, und ich will auch keinen."
Journalist:
Das klingt nach symbolischem Beitrag: Selbst wenn man Ihnen einen Bonus
geben würde, würden Sie ihn zurückgeben?
Ospel:
"Ich habe gesagt: Ich will keinen Bonus."
Journalist:
Also würden Sie ablehnen.
Ospel:
"Das sind Ihre Worte. Meine sind: Ich will keinen Bonus."
Journalist:
Die UBS hat über 80000 Angestellte. Wie viele davon müssen
einen tieferen Bonus in Kauf nehmen?
Ospel:
"Bonusberechtigt sind fast alle. Wir kennen keine Sippenhaftung. Das
heisst, in jenen Abteilungen, die gut gearbeitet haben, wird auch ein
Bonus bezahlt."
Analyse der Antworten:
Überall war zu lesen, dass Ospel für dieses Jahr keinen Bonus
bekomme. Nun erfahren wir, dass Ospel unter Umständen doch einen
verstecken Bonus kassiert.
Auch bei diesem Thema fällt auf, dass Ospel nie sagen will, ob
er einen möglichen Bonus zurückgibt. Er wiederholt auch bei
dieser Frage die gleiche Formulierung:
Ospel:
"Ich habe gesagt: Ich will keinen Bonus."
Auf die Nachfrage:
Journalist:
"Also Sie würden den Bonus ablehnen?" wiederholt
Ospel seine Standardantwort:
Ospel:
"Das sind Ihre Worte. Ich sagte nur: Ich will keinen Bonus."
Analyse der Antworten:
Wenn wir Ospel bei einer möglichen Gutschrift nachträglich
vorwerfen würden, er habe doch einen Bonus erhalten, so könnte
er sich herausreden: Er habe immer nur gesagt "Ich will keinen Bonus. Ich
habe nie erklärt, ich nehme ihn nicht".
Dies sind raffinierte Spitzfindigkeiten, die Ospel kennt, er ist ein
Könner im Ausweichen. Bislang konnte er sich trotz zahlreicher
Angriffe und Pannen stets aus der Schusslinie heraus manövrieren,
wie beispielsweise vor Jahren beim Swissairgounding.
Vermutlich muss Ospel den Sessel deshalb nicht räumen, zumal die Bank (noch) keinen Nachfolger für ihn hat. Rhetorisch ist Ospel jedenfalls ein Meister der Ausweichtechnik. |
Nachtrag vom 30. Januar 2008: Fragwürdige UBS Kommunikation Nachdem eine "Bombe platzt" und die UBS mit über 4 Milliarden in die roten Zahlen schlittert, wird dies nur eine dürftige Medienmitteilung kommuniziert. Keine Erklärungen, keine Erläuterungen, keine Begründung, keine Kommentare, keine Interviews. Die Kommunikationskultur entspricht den Antworten Ospels: "Was geschrieben ist ist geschrieben". Wer in einer Krise so kommuniziert, ist kein Profi. Die UBS müsste die Chance nutzen uns das verlorene Vertrauen wieder aufbauen. Es gibt schon Kunden, die ihr Konto auflösen.
Ospels Tage sind bestimmt gezählt. Er könnte die UBS mit erhobenem Haupt durch die Vordertür verlassen und sollte nicht warten, bis er den Sessel unfreiwillig räumen muss. Seine Standardantwort: "Ich werde die UBS nicht feige durch die Hintertüre verlassen. Ich will noch die Situation bereinigen", ist unglaubwürdig, nachdem laufend neue Pannen ans Tageslicht kommen. Weil die UBS die Nachfolge nicht geregelt hat und Ospel zu viele Spitzenleute entlassen hatte, kann er nicht so schnell auf die Strasse gestellt werden. Die UBS ist vorläufig noch auf ihn angewiesen.
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Nachtrag vom 31. Januar 2008: Fragwürdige UBS Kommunikation
Weitere Medienechos: Das Debakel der Grossbank sorgte in den Medien für harsche Reaktionen. deftig kommentiert das ansonsten eher nüchterne "St. Galler Tagblatt": "Der wachsende Haufen der Subprime-Leichen stinkt immer penetranter zum Himmel." Der UBS sei "das Desaster über den Kopf gewachsen", so das "Tagblatt" weiter. Auch zur Causa Ospel ist die Wortwahl deutlich: "Nur noch peinlich ist, dass Präsident Marcel Ospel weiter im Amt bleibt." Die wirtschafts- und bankenfreundliche "Neue Zürcher Zeitung" warnt vor weiteren Hiobsbotschaften: "Bleibt die Lage im amerikanischen Immobilienmarkt angespannt oder brechen sich gar rezessive Entwicklungen Bahn, ist in den kommenden Quartalen mit weiteren Abschreibungen zu rechnen." Der unter Dauerbeschuss stehende Marcel Ospel solle Klarheit über seine beruflichen Pläne schaffen "und, sobald das UBS-Schiff wieder in ruhigeren Gewässern segelt, einen valablen Nachfolger vorstellen". Selbst die "Basler Zeitung" mag sich nicht mehr hinter ihrem "Local Hero" Ospel stellen: Vieles deute darauf hin, dass der UBS-Verwaltungsrat die Nachfolge-Frage nicht mit der nötigen Konsequenz angehe. Ospel und viele hochrangige UBS-Manager hätten die Strategie der Bank unterstützt "und fürchten nun, dass ein neuer Präsident die ganze Wahrheit aufdeckt". |
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